Talking about
the roots...
Es duftet nach frischem Basilikum und reifen Tomaten: Der DEINspeisesalon-Locationgarten ist längst mehr als Kulisse, er ist Teil der Philosophie. Zwischen Gemüse- und Salatbeeten sprechen die Geschäftsführer:innen Jutta Landkotsch und Sebastian Zimmermann mit Journalist und Autor Johannes Arens über ihre Vision von Kulinarik im Jahr 2025 – geprägt von Kreativität, Transformation und dem Willen, auch in bewegten Zeiten nachhaltige Wege zu gehen.
Johannes J. Arens
Ich habe mir gewünscht, dass wir unser Gespräch heute hier bei euch im Garten beginnen. Weil das so ein schöner Ort ist, aber auch, weil ein Garten eine passende Metapher für den gesamten Speisesalon ist.
Jutta Landkotsch
Als wir hier in Ehrenfeld angefangen haben, da war das eine Betonwüste. Drinnen war alles schön und für draußen war kein Budget mehr da. Inzwischen vergessen unsere Kund:innen leicht, dass sie sich eigentlich mitten in einem Industriegebiet befinden. Der Garten ist eine eigene Welt, die sich kontinuierlich verändert. Ganz neu sind die kleinen Treibhäuser. Die wünsche ich mir im großen Maßstab, deshalb probieren wir das hier erst einmal in klein aus.
J.A. Hier werden also auch Pflanzen angebaut, die in der Küche verarbeitet werden?
Sebastian Zimmermann
Wir haben insgesamt etwa 15 bis 20 Kräuter pro Saison, deren Anbau wir zum Teil auch mit der Küche planen. Mit den Treibhäusern kommen in diesem Jahr Salat und größere Mengen an Petersilie und Lauchzwiebeln dazu. Essbare Blüten haben wir schon seit vielen Jahren, die verschiedenen Arten blühen den ganzen Sommer über. Gerade gibt es zum Beispiel Honigsalbei und Borretsch.
J.L. Das ist schon was Besonderes, wenn wir das Fingerfood mit den eigenen Blüten ausdekorieren können, dann bekommt das Essen eine ganz eigene Poesie. Aber der Garten wird vielfältig genutzt. Die Leute aus der Küche gehen manchmal kurz raus, um mitten im Trubel aufzutanken.
S.Z. Aus der Küche hinaus gucken wir hier ins Grüne, das ist ein schönes Gefühl.
J.A. Gab es in eurer Vergangenheit einen Garten, an den ihr euch gerne erinnert?
S.Z. Als Kind habe ich viel Zeit auf dem Bauernhof meiner Oma in der Nähe von Berlin verbracht. Da gab es einen riesigen Garten, ein Spargelfeld, Mais und Getreideanbau, Schweine, Hühner. Dass ich später Koch geworden bin, hat auf jeden Fall damit zu tun.
J.L. Meine Großeltern väterlicherseits kommen aus Gelsenkirchen. In den Bergarbeitersiedlungen gab es damals große Gemüsegärten und jede:r hatte Hühner und Tauben. Das habe ich geliebt. Wenn ich mich als Kind sehe, dann sehe ich mich im Garten meiner Großeltern.
J.A. Das scheint mir für euch beide prägend gewesen zu sein und findet sich ja auch in der kulinarischen Handschrift des Speisesalons. Wie würdet ihr die beschreiben?
J.L. Als die Summe aller Dinge, die hier passieren, von allem, was sich über die Jahre entwickelt hat. Die Biotransformation zum Beispiel hat unser gesamtes Arbeiten verändert. Natürlich hatten wir vorher auch einen Stil, in dem wir gekocht haben. Aber mit der Umstellung sind viele Produkte, die wir über Jahre verwendet haben, erst einmal aus dem Sortiment gefallen und wir mussten uns wieder auf die Basics zurückbesinnen.
S.Z. Wir stellen momentan knapp 60 Vorprodukte her, die wir früher zugekauft haben. Mittlerweile machen wir die selbst, weil wir die auf dem „Biomarkt“ nicht in der Qualität finden, die wir haben wollen. Das ist dann wie ein Baukasten, aus dem unsere Gerichte zusammengebaut werden. Das gibt dem Ganzen eine eigenständige DNA, die wir vorher nicht hatten.
J.L. Es ist nicht leicht, das in Worte zu fassen. Man muss eigentlich das System kennen, um zu verstehen, was wir anders machen.
J.A. Die Handschrift bleibt also auf der Meta-Ebene?
J.L. Ja, was du bei uns isst, ist mehr als das Gericht auf dem Teller. Nehmen wir das selbstgebackene Brot, das ist inzwischen auf jeden Fall ein Teil unserer kulinarischen Handschrift. Wir brauchten ein Biobrot, aber eben keine industriell produzierte TK-Ware. Also haben wir gesagt, wir machen das selbst. Dafür musst du erst einmal den Rahmen schaffen. Im Grunde genommen mussten wir ein Produkt entwickeln, das vorher kein Teil der Prozesse hier war. Wir haben Menüs und Buffets entwickelt, aber eben kein Brot. Und jetzt müssen wir erzählen, dass wir nur noch zwei Brotsorten haben, obwohl unsere Handschrift ja üppig sein soll. Aber was ist üppig? Für uns ist eben die Zeit - und der Raum, den wir dem Brot geben - eine Form von Üppigkeit.
J.A. Wenn durch die Biotransformation bestimmte Dinge wegfallen, ist das ja nicht unbedingt ein Verlust, sondern eine Konzentration auf das Wesentliche, auf das, was wichtig ist.
S.Z. Für Catering sind unsere Gerichte trotzdem komplex. Unser Anspruch ist immer, das Erlebnis, das wir mit einem Teller im Restaurant haben, auch bei einem Lunch oder einer Großveranstaltung an die Gäst:innen zu bringen. Das zieht sich durch alle Abteilungen, die gesamte Küche und alle Posten. Aus all diesen Elementen entsteht am Ende eine kulinarische Handschrift.
J.A. Es geht also um Sorgfalt und um Detailfreude. Die steckt auch in „Meet the Chefs“, eurer kulinarischen Werkschau. Da macht es nicht nur Spaß zu probieren, sondern es ist genauso spannend zu sehen, wie die Gerichte zubereitet, fertig gemacht und angerichtet werden, weil da eine besondere Form von Konzentration herrscht. Wieviel Mut kostet das, alles aufzumachen, alles zu zeigen und sich in alle Schränke gucken zu lassen?
J.L. Der Salongedanke, den wir ja auch im Namen haben, der ist für mich immer noch sehr spannend. Dabei geht es uns weniger um konkrete Geschäftsanbahnungen als um den Austausch. Mit manchen Gäst:innen arbeiten wir schon lange zusammen, andere kennen wir noch gar nicht. Wir laden gelegentlich auch Menschen ein, denen wir mal ein Angebot geschrieben haben, aus dem dann nichts geworden ist, die wir aber trotzdem spannend finden.
S.Z. Wir zeigen aber nicht nur die Küche, wir zeigen auch das Team. Es gibt keine Vorgaben, wie alle an dem Abend zu sein haben oder wie bestimmte, vielleicht wichtige Kund:innen zu behandeln sind. Wir gehen alle mit einer Leichtigkeit in den Abend und die spürt man auch.
J.L. Du gehst in die Küche und das Team ist der eigentliche Gastgeber, während die Projektleitung sich unter die Gäst:innen mischt. Wir brechen gelernte Erwartungen auf und plötzlich ist auch mal was anderes möglich.
J.A. Neue Wege geht ihr ja nicht nur am Standort Ehrenfeld, sondern auch im Stadion. Was hat sich da verändert, seit wir zuletzt zusammen dort unterwegs waren?
S.Z. Wir sind immer noch feste Partnerin des FC und die Zusammenarbeit ist über die Jahre immer vertrauensvoller und enger geworden. Auch da läuft die Biotransformation, auch wenn das schon andere Mengen sind, die alle zwei Wochen benötigt werden. Aber wir sind auf einem guten Weg und zuversichtlich, dass wir unsere gesetzten Ziele erreichen werden.
J.L. Mit dem Club 78 ist sogar noch ein neuer Bereich mit einer offenen Küche dazugekommen, die eher an ein schickes Restaurant irgendwo in einer Großstadt erinnert als an einen VIP-Bereich im Stadion.
S.Z. Im Businessbereich sind wir auf das nächste Level aufgestiegen, wir haben die Buffets abgeschafft und das Erlebnis für die Gäst:innen mit angerichteten Tellern erweitert. Vorher haben die sich klassisch selbst bedient, jetzt gibt es einen fertig konzipierten Teller. Bei 2.000 Portionen pro Spiel ist das schon eine Herausforderung. Aber wir haben uns da gut eingearbeitet und inzwischen laufen da wunderschöne Teller raus.
J.A. Next Level bedeutet also mehr ästhetische Aufmerksamkeit?
J.L. Ja, eben wieder wie ein Restauranterlebnis.
J.A. Apropos Erlebnis – wie läufts mit dem Rock‘n‘Roll?
S.Z. Wir haben gerade Billie Eilish bekocht. Die hatte ganz klare Vorstellungen vom Catering, alles muss vegan sein, aber auch die Fleischesser:innen sollten mitgenommen werden. Eines unserer Signature Dishes, das „Red Beet Wellington“, kam da ziemlich gut an.
J.L. Auch da wachsen die Ansprüche an Nachhaltigkeit. Zum ersten Mal wollte ein:e Künstler:in bewusst keine Plastikflaschen. Da haben wir über die Jahre viel Überzeugungsarbeit geleistet, die jetzt Früchte trägt. Bei Coldplay haben wir schon im letzten Jahr mit Recup gearbeitet. Das ist in der Branche und in Stadien aber absolut noch nicht verbreitet.
S.Z. Wir haben noch Guns N’ Roses, Linkin Park und Carlos Santana vor uns, der nach langer Zeit endlich wieder nach Europa kommt. Das ist ein alter Bekannter, back to the roots.
J.A. Back to the roots, damit sind wir wieder im Garten, da, wo wir angefangen haben.
Jutta Landkotsch
ist Gründerin & Geschäftsführerin von DEINspeisesalon. Ihre Leidenschaft für Kulinarik verbindet sie mit einem feinen Gespür für Menschen und Momente. Sie treibt Themen wie Nachhaltigkeit und Transformation voran – stets mit dem Anspruch, Genuss und Verantwortung zusammenzubringen.
Sebastian Zimmermann
ist Geschäftsführer von DEINspeisesalon.
Für ihn bedeutet Gastronomie mehr als gutes Essen: Sie ist Begegnung, Wandel und Inspiration. Mit Klarheit, Mut und Neugier gestaltet er die Weiterentwicklung des Unternehmens und setzt Impulse für eine zukunftsorientierte Kulinarik.
Johannes J. Arens
ist freier Journalist und Autor aus Köln mit gastronomischem Schwerpunkt. Mit DEINspeisesalon verbinden ihn vielfältige Kooperationen – von der Teilnahme von Auszubildenden an seinen Talentförderungsprojekten „SundaySupper“ und „Bach DELIKAT“ über die gemeinsame Umsetzung der „Bauernrunde“ zur Vermittlung von regionalem Obst und Gemüse an Kölner Restaurants und Cateringbetriebe bis hin zu einer kulinarischen Titelgeschichte in der Zeitschrift „Zwischengang“.